Folgender Dialog:
„Machste mir noch Eins?“ – „Ach komm, Du hast genug jetzt!“ – „Mann, hab Dich nicht so…“ – „Na gut, Mensch,… – ein Letztes!“ alkoholkonsum
Klar: Dieses Gespräch findet am Tresen statt, in einer Bar oder Kneipe, und es geht ums (eventuell) letzte Bier. Der Tresen hat seit jeher eine große Faszination; dahinter zu stehen, „sein Bier“ zu trinken und der Tresenkraft beim Arbeiten zuzusehen. Warum eigentlich? Die Barwirtin, der Barwirt verhalten sich hier nebenbei nicht gerade so, als wäre man ein zahlender, Gewinn bringender Kunde – sondern wie?…
Ein tiefenpsychologischer Psychotherapeut meinte einmal zu mir, dass er beim Vorbeischlendern an einer Kneipe (ah ja!) die Menschen drinnen in der Bar hat am Tresen sitzen sehen – als diese Gestalten in diesen typischen Haltungen, die wir perfekt kennen: aus Bildern, Filmen, oder von uns selbst.
Ihm sei nun sofort klar gewesen: Es geht um Mama, die in der Küche arbeitet und saubermacht. Und das „erwachsen gewordene Kind“ kriegt jetzt dieses vertraute Gefühl wieder zusammen mit dem kühlen Getränk serviert – wie zur schönsten, gemeinsamen Abendbrotzeit.
Damals. Können Sie sich daran noch erinnern? Mama bei der Küchenarbeit – sie stellte Alles weg und machte sauber, wischte dann noch den Tisch ab…
Eigentlich ist dies Phänomen so offensichtlich, dass es gar keine Sensation ist – und darf deswegen ruhig mal ausgesprochen werden. Was der Trunkene „sucht“ (kleines Wortspiel), wird im Detail unterschiedlich motiviert sein.
Ich behaupte nun zwei Sachen: Zum einen ist es die versuchte Auflösung einer Grenze zwischen „ich“ und „wir“ – im Vollsuff sind wir nicht allein, selbst wenn wir allein am Tresen sitzen, und stellen so etwas wie eine gefühlte Symbiose (wieder) her.
Zum anderen ist es eine „unlogische Lösung“ für eine Situation. Und das ist interessant: Wir Menschen suchen doch so gerne lineare, logische Lösungen für nichtlineare (zirkuläre) Probleme. All unsere Beziehungen sind beeinflusst von den Erfahrungen aller Beteiligten und deren anteilig wiederholten Reinszenierungen. Das heißt: 2 Leute = 2 Meinungen darüber, wie etwas wahrgenommen wird, wie es wirkt, wie es zu deuten ist, was es auslöst, etc… alkoholkonsum
So. Und dafür suchen wir ja normalerweise lineare Lösungen, und manchmal finden wir keine. Manchmal auch häufiger nicht.
„Unlogische Lösungen“ können hier nun Entwicklung ermöglichen. Selbst wenn zwei Personen sehr unterschiedlich sind: Wenn sie sich so richtig benebeln, haben sie das gemeinsam, und das verbindet. (Im übrigen funktioniert das Sich-Verlieben prinzipiell ähnlich: Der Mann senkt den Testosteron-Spiegel ab, die Frau hebt ihn an! So gleichen sich beide in einer Art „Hormonrausch“ an, und empfinden sich und den anderen auch als ähnlicher).
Wollen Sie „unlogische Lösungs“ Beispiele für den Alkoholkonsum? Unter Bekannten oder gar in Arbeitsgruppen „Brüderschaft“ trinken; sich zu zweit beim „kennen lernen“ benebeln – herrlich unlogisch.
Auch Geschäftsessen oder Verhandlungen kommen „nicht von ungefähr“ durch den Alkohol zu einem erfolgreichen Abschluss: „Ich habe mit Dir Verträge ausgehandelt – aber kann ich Dir auch vertrauen? Lass uns einen heben!“ So wird rituell die Grenze von zwei oder mehr „Ichs“ aufgelöst – hin zu einem „Wir“.
Lösung, Loslösung, Erlösung… nüchtern betrachtet endet der tiefe Blick ins Glas eher in einer Art Sackgasse.
Mein Ausbilder András Wienands sagte hierzu tatsächlich gern: „Wir saufen uns unserer Mutter entgegen“ – zumindest der Wunsch nach Symbiose oder das Ritual lassen sich hier gut erkennen.
Ernst Jünger beschreibt den Alkoholrausch als „Kampf des Seins gegen die Existenz“, und führt im „Abenteuerlichen Herzen“ dazu aus:
„Wie reißt der erste Rausch das Herz wie mit Segeln dahin! Hattest Du diesen nicht lieb, wie er zum ersten Mal in die Tiefen versank, in denen der Elementargeist die Kraft mächtig beschwingt? Gibt es nicht Stunden, in denen man von Allem geliebt werden muss, wie eine Blume, die in wilder Unschuld erblüht? […] Wenn das Feuer des Weines die Jahresringe zerschmilzt, die sich um dieses wunderliche Herz geschlossen haben, entdecken wir, dass wir im Grunde immer dieselben geblieben sind. […] Euch grüße ich vor Allen, ihr einsamen Zecher, die ihr mit Euch selbst am Tische sitzt und über Zeiten und Zeiten das Glas gegen Euch erhebt!“
Graham Greene bringt es schlicht auf die Formel: „Die Unschuld hat etwas an sich, mit dessen Verlust wir uns nie ganz abfinden können!“