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Unser Verliebtsein und das Programm der Enttäuschung

 

Nein, Ihr Bildschirm hat keinen Pixelfehler. Nennen wir es zum Beispiel „das Körnchen Wahrheit“, ein „letzter Funken Verstand“, ein „Krümel Reflexionsvermögen“, den wir noch zeigen, wenn wir uns im Verliebtheitsmodus befinden und vielleicht gerade Anderen über die neue Flamme berichten. Wir erleben diesen dunklen Fleck in unserem schillernden Gefühl wie eine selbstkritische, innere Stimme, die uns vor Etwas warnt – aber oft nicht gehört wird, wenn das Regenbogenprogramm aktiviert ist: Diese Stimme warnt uns vor der anstehenden Ent-täuschung. Und das hat seinen Sinn. Ist gar nicht böse gemeint, beziehungsweise: natürlich ist es „ernüchternd“ gemeint, denn um „Romantik“, um das Romantisieren oder romantischen Nebel geht es nicht, wenn wir uns ent-wickeln wollen. Aber bitte lesen Sie weiter – ich mein’s gut mit Ihnen.

 

Verliebtsein und das Programm der Enttäuschung

‚Sich Verlieben‘ ist ein absichtliches Programm im menschlichen Gehirn. ‚Liebe‘ zu fühlen (wonach wir uns sehnen, wenn wir uns verlieben), das ist für uns ebenso faszinierend wie gebrochenes Licht, das in leuchtende Farben zerfällt. Für Jeden von uns hat das Gefühl der Liebe etwas Wunderschönes. Sich-Verlieben ist wie ein Zauber, in den unsere Wahrnehmung und dann die ganze Persönlichkeit eintaucht. Es ist „persönlichkeitsverändernd“: unsere Einstellungen zu Vielem verändern sich. Wir verändern uns. Unheimlich für die Einen, berauschend für die Anderen. verliebtsein und das programm

Doch genau darum geht es auch: Unsere Entwicklung ist ein Reigen von „sich täuschen“ bzw. „enttäuscht werden“. Die Enttäuschung bietet dabei die Möglichkeit für den eigenen Fortschritt – auch wenn Sie das jetzt vielleicht wieder nicht gerne hören. Wer diese Möglichkeit nicht wahrnimmt, für den wird das Programm so lange wiederholt oder das Problem immer und immer wieder generiert und reinszeniert, bis die Lektion (auch diese Ent-Täuschung also) abgeschlossen ist.

 

Ist es Absicht?

Systemisch betrachtet soll uns der Verliebtheitsmodus also enttäuschen: Die eigenen Projektionen bzw. Entwicklungswünsche, die andere Personen (die, in welche wir uns ver-lieben) in uns auslösen, sollen nach und nach abgebaut werden, so möchte es unser Selbst-Bewusstsein in unserem Gehirn. Dieser dunkle (übrigens dunkelblaue, nicht schwarze: ich wählte Dunkelblau symbolisch für den ‚kühlen Verstand‘ oder den „eigenen Geist“) Punkt soll gemäß diesem Programm wachsen und größer werden. Ja, ganz genau, das ist jetzt wieder total unromantisch. Aber nur, wenn wir Romantik als den Versuch werten, in diesem regressiven Sehnsuchtsmodus zu verweilen und wunderschönen Nebel zu streuen.

Genau an dieser Stelle setzen dramaturgisch alle Filme von Liebe & Sehnsucht an. Vollkommen großartig etwa Charlie Kaufman’s „Eternal Sunshine of a Spotless Mind“, in welchem eine tatsächlich programmierbare Maschine inszeniert ist, mit der man die Erinnerungen des Protagonisten (an eine unüberwindbar-sehnsuchtsvolle Liebesenttäuschung, die er nicht „wahr haben will“) auslöschen kann…

 

Romantisch verklärt

An dieser Stelle (dem übertriebenen Festhalten an der Projektion) wären wir dann übrigens beim Übergang zu obsessivem Verhalten. Darüber verallgemeinernd oder pauschal zu schreiben, ist nicht ratsam und würde den einzelnen, ganz persönlich erlebten Geschichten nicht gerecht. Ich möchte es hier nur mal gesagt haben. verliebt sein und das programm

Romantik & romantische Literatur hat für uns etwas „wunderbar“ Verklärendes, und nicht nur in dem damit verbundenen Verhalten etwas Regressives, wonach wir uns durchaus ebenso sehnen, wie wir uns ja auch nach unserer möglichst langlebigen Jugend sehnen. Sich zu ent-wickeln, seine Projektionen abzubauen und selbstbestimmter zu werden hat aber auch etwas sehr Schönes. Wir arbeiten Alle daran, dass die blaue Kugel (im Bild oben) etwas größer wird, oder?