Es ist erstaunlich. Wir können die Grenzen unseres Körpers gedanklich-einfühlend verlassen – in einem Ausmaß, dass beachtlich ist. über sich hinauswachsen
Schauen Sie mal LkW-Fahrern beim Rangieren zu. Sie scheinen exakt zu wissen, wie viel Zentimeter nach hinten noch Platz sind – 14 Meter entfernt! Sie fahren (meist) nicht irgendwo gegen, vielmehr besitzen sie offensichtlich ein feines Gespür, das sie außerhalb ihrer eigenen Körpergrenzen anwenden und übertragen können. Als wäre der 14 Meter lange LkW eine Nervenbahnverlängerung ihres eigenen Körpers.
Grund dafür ist meines Erachtens weniger die motorische Übung (das „Lenken und Schalten können“). Auch nicht die dreidimensionale Sehfähigkeit. Ich denke, es ist tatsächlich eine empathische Fähigkeit, in diesem Moment räumlich über die eigene, körperliche Ich-Grenze hinaus zu empfinden…
Eine solch beeindruckende Gabe muss gleichwohl bewusst und aktiv angewandt werden. Denken Sie mal an Menschen mit Regenschirmen im November, die Andere regelmäßig anrempeln oder mit Wasser vollspritzen. Hier lässt das behagliche Gefühl des ‚Abgeschirmtseins‘ vor dem Regen offenbar das Einfühlungsvermögen auf Bereiche außerhalb dieses Raumes ins Vergessen geraten.
Im übrigen sind erfahrene LkW-Fahrer auch nicht automatisch einfühlsame Empathen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ohne irgend Jemanden diskreditieren zu wollen. Ich kann mir vorstellen, dass im „zwischenmenschlichen“ Bereich, also z.B. verbal, auch mal irgendwo angerempelt wird. Vielleicht häufiger, als mit dem eigenen Fahrzeug.
Wissen Sie eigentlich schon, worauf ich hinaus will? Es geht mir immer noch um unser „Selbst“ – um unser Selbstkonzept und die Ausweitung unseres „Ichs“ auf die Begegnung oder den Umgang mit Anderen.
Wie wäre es wohl, wenn wir uns auch im zwischenmenschlichen Bereich 14 Meter weit nach vorne oder nach hinten zentimetergenau hineinfühlen könnten? Vielleicht müssen Sie bei der Formulierung auch gerade schmunzeln. Doch ich mein das schon auch ernst: Irgendwann können wir uns vielleicht ganz über „Grenzen“ hinwegfühlen. Ich bin mir sicher, dann schaffen wir endgültig einen weiteren, großen, menschlichen Entwicklungsschritt… – nicht nur für Europa.
Das Internet hat ja gute Vorarbeit geleistet: Die virtuelle Nähe und weltweite „Netzfreunde“ haben die räumliche, regionale Nähe vielleicht schon bald abgelöst. Und wenn wir es schaffen, uns dabei nicht zu entfremden, könnten sich irgendwann mal alle Menschen als ein soziales Netzwerk begreifen. Zu diesem „ich und wir“ aber demnächst mehr…